Gesamtthemenbrief

Ihre Mandanteninformationen des
Monats September 2013

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

der Ihnen nun vorliegende
Brief möchte Sie über wesentliche, vollzogene oder geplante Änderungen im
Steuer- und Wirtschaftsrecht der letzten Monate informieren und Ihnen Anlass
bieten, auch bestehende Sachverhalte zu überprüfen.

Bitte lesen Sie im Einzelnen:

 

Inhalt

 

Privatbereich

1.

Einkünfteerzielungsabsicht
  bei langjährigem Wohnungsleerstand

2.

Keine Mängelansprüche aus
  Werkvertrag bei Schwarzarbeit

3.

Wirtschaftlicher
  Zusammenhang zwischen Vermächtnis und Versorgungsrente

4.

Zur Beurkundung der
  Anfechtung eines Erbvertrages

5.

FA kann bei Nichteinhaltung
  selbstgesetzter Frist gegen § 242 verstoßen

6.

Grobes Verschulden des
  Steuerberaters bei Verwendung der Elster-Einkommensteuererklärung

7.

Trotz Obsiegens im
  Musterprozess: Rechtsbehelf im Parallelstreit muss eingelegt werden

8.

Einkünfteerzielungsabsicht
  bei Ferienwohnungen

9.

Steuerermäßigung bei
  Dichtheitsprüfung von Abwasserleitungen

10.

Nur quotale Privilegien bei
  Quotennießbrauch

Unternehmer
  und Freiberufler

1.

Vorsteuerabzug:
  Mindestlizenzgebühren als Teilleistungen

2.

Unterliegt der Verzicht auf
  Vertragserfüllung der Umsatzsteuer

3.

Rechnungen weg, was nun?

4.

Zur Ortsbestimmung bei
  Lagerung von Waren

5.

Leasingverträge:
  Ausgleichsansprüche umsatzsteuerpflichtig?

6.

2014 droht Freiberuflern das
  Ende der Istbesteuerung

7.

Wann droht Wegfall des
  Anspruchs auf Entgeltfortzahlung bei Unfall?

8.

Gegenseitige
  Risikolebensversicherungen von GbR-Gesellschaftern

9.

Kausalität ist auch bei
  unseriösen Kapitalmarktinformationen notwendig

10.

Bewertung von
  Gesellschafterforderungen bei der Erbschaftsteuer

11.

Meisterpräsenz bei
  Hörakustik-Unternehmen nicht ständig erforderlich

12.

Wann ist die Erhebung von
  Nachzahlungszinsen unbillig?

13.

Kein Rechtsschutzbedürfnis
  für 2. Antrag auf HR-Eintragung bei gleicher Rechtslage

14.

Wegfall der Klagebefugnis
  von Personengesellschaft nach Vollbeendigung

15.

Nach 100 Jahren endet das
  Branntweinmonopol am 31.12.2017

16.

Betriebsaufspaltung bei
  Zwischenschaltung einer beherrschten GbR

17.

Kein
  Auskunftsverweigerungsrecht Dritter wegen privatrechtlich vereinbarter
  Geheimhaltung

18.

Umsatzsteuer: Kein
  Vorsteuerabzug aus Strafverteidigerkosten

19.

Änderung des Aktiengesetzes
  tritt voraussichtlich noch 2013 in Kraft

GmbH-Gesellschafter/-Geschäftsführer

1.

Aktienoptionen für
  Aufsichtsräte und ihre Folgen

2.

Kapitalerhöhung durch
  Erhöhung des Nennbetrags eines bestehenden Geschäftsanteils

3.

Grundsatz des Reflexschadens
  gilt auch im Insolvenzfall

4.

Darlehen durch ausländische
  Gesellschafter begründet keine inländische Betriebsstätte

5.

Anwendbare Vorschriften auf
  den Jahresabschluss einer prüfungspflichtigen mittelgroßen GmbH

     

 

 

 

Privatbereich

 

 

  1. Einkünfteerzielungsabsicht bei
    langjährigem Wohnungsleerstand

Kernaussage

Ein besonders lang andauernder, strukturell bedingter Leerstand einer
Wohnimmobilie kann – auch nach vorheriger auf Dauer angelegter Vermietung –
dazu führen, dass die vom Steuerpflichtigen aufgenommene
Einkünfteerzielungsabsicht ohne sein Zutun oder Verschulden wegfällt.

Sachverhalt

Der Kläger erwarb 1997 durch Zuschlag in der Zwangsversteigerung eine
Stadtvilla. Zuvor war der Kläger nach Erbgang Miteigentümer der 1928 erbauten
Villa gewesen. Von 1949 bis 1992 war die Villa vermietet; seitdem steht sie
leer. Bislang gelang es nicht, das Gebäude mit einer Wohnfläche von 156 qm zu
vermieten. Die Stadtvilla bedarf einer grundlegenden Sanierung, die unter
Berücksichtigung des hohen Leerstands und der zu erwartenden Mieteinnahmen als
unwirtschaftlich einzustufen ist. Dem vom Kläger im Streitjahr 2010 geltend
gemachten Werbungskostenüberschuss in Höhe von 2.925 EUR versagte das Finanzamt
die Anerkennung. Hiergegen klagte der Kläger vor dem Finanzgericht ohne Erfolg.

Entscheidung

Auch der Bundesfinanzhof (BFH) teilte die Ansicht des Finanzamts. Zu Recht habe
die Finanzverwaltung den Werbungskostenüberschuss nicht berücksichtigt. Es
mangelte an der Einkünfteerzielungsabsicht. Aufwendungen sind für eine Wohnung,
die nach vorheriger auf Dauer angelegter Vermietung leer steht, auch für die
Zeit des Leerstands abziehbar, solange der Steuerpflichtige den ursprünglichen
Entschluss zur Einkünfteerzielung nicht endgültig aufgegeben hat. Unbeschadet
davon kann ein besonders lang andauernder Leerstand dazu führen, dass eine vom
Steuerpflichtigen aufgenommenen Einkünfteerzielungsabsicht ohne sein Zutun oder
Verschulden wegfällt. Hiervon ist aber nur dann im Einzelfall auszugehen, wenn
absehbar ist, dass das maßgebliche Objekt wegen fehlender oder nur
unwirtschaftlich herbeizuführender Marktgängigkeit oder aufgrund anderweitiger
struktureller Vermietungshindernisse in absehbarer Zeit nicht vermietbar ist.
Dies war hier der Fall, da die Villa seit fast 20 Jahren leer stand,
grundsanierungsbedürftig ist und die Hälfte des zur Vermietung angebotenen
Wohnraums in der Stadt unvermietet ist.

Konsequenz

Das Urteil liegt auf einer Linie mit den vorangegangenen Entscheidungen zum
Wohnungsleerstand. Wenn einem Vermieter über einen längeren Zeitraum die
Vermietung nicht gelingt, muss er seine Vermietungsbemühungen nachweisbar
intensivieren. Hier sprach jedoch das Scheitern der Vermietung seit fast 20
Jahren für sich.

 

2. Keine Mängelansprüche aus
Werkvertrag bei Schwarzarbeit

Kernaussage

Illegaler, aber beliebter Trick, vor allem bei Hausbesitzern: Eine so genannte
"Ohne-Rechnung-Abrede", um Steuern zu sparen – also Schwarzarbeit der
beauftragten Handwerker. Werden die Arbeiten jedoch mangelhaft ausgeführt,
bleibt der Auftraggeber auf dem Schaden sitzen. Bei Schwarzarbeit ist der Vertrag
nämlich wegen des Verstoßes gegen gesetzliche Bestimmungen nichtig – und ohne
Vertrag gibt es keine Gewährleistung! Der Bundesgerichtshof (BGH) hat aktuell
die Frage entschieden, ob Mängelansprüche eines Bestellers bestehen können,
wenn Werkleistungen aufgrund eines Vertrages erbracht worden sind, bei dem die
Parteien vereinbart haben, dass der Werklohn in bar ohne Rechnung und ohne
Abführung von Umsatzsteuer gezahlt werden sollte.

Sachverhalt

Auf Bitte der Klägerin hatte der Beklagte eine Auffahrt des Grundstücks der
Klägerin neu gepflastert. Hierbei war ein Werklohn von 1.800 EUR vereinbart
worden, der in bar ohne Rechnung und ohne Abführung von Umsatzsteuer gezahlt
werden sollte. Das Landgericht hat den Beklagten, der sich trotz Aufforderung
und Fristsetzung weigerte, Mängel zu beseitigen, u. a. zur Zahlung eines
Kostenvorschusses in Höhe von 6.096 EUR verurteilt, da das Pflaster nicht die
notwendige Festigkeit aufweise. Auf die Berufung des Beklagten wies das
Oberlandesgericht die Klage ab. Der BGH schloss sich dem Urteil an.

Entscheidung

Der BGH hatte erstmals einen Fall zu beurteilen, auf den die Vorschriften des
seit dem 1.8.2004 geltenden Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und
illegalen Beschäftigung (Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz, SchwarzArbG)
Anwendung finden. Er hat entschieden, dass der zwischen den Parteien
geschlossene Werkvertrag wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134
BGB) nichtig sei. Die korrespondiere Vorschrift des
Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes enthalte das Verbot zum Abschluss eines
Werkvertrages, wenn dabei vorgesehen sei, dass eine Vertragspartei als
Steuerpflichtige ihre sich aufgrund der nach dem Vertrag geschuldeten
Werkleistungen ergebenden steuerlichen Pflichten nicht erfüllt. Das Verbot
führe jedenfalls dann zur Nichtigkeit des Vertrages, wenn der Unternehmer
vorsätzlich hiergegen verstößt und der Besteller den Verstoß des Unternehmers
kennt und bewusst zum eigenen Vorteil ausnutzt. So lag der Fall hier. Der
beklagte Unternehmer hat gegen seine steuerliche Pflicht aus dem
Umsatzsteuergesetz verstoßen, weil er nicht innerhalb von sechs Monaten nach
Ausführung der Leistung eine Rechnung ausgestellt hat. Er hat außerdem eine
Steuerhinterziehung begangen, weil er die Umsatzsteuer nicht abgeführt hat. Die
Klägerin ersparte auf diese Weise einen Teil des Werklohns in Höhe der
anfallenden Umsatzsteuer. Die Nichtigkeit des Werkvertrages führt dazu, dass
dem Besteller hieraus grundsätzlich keine Mängelansprüche zustehen können.

Konsequenz

Es bleibt dabei: Schwarzarbeit ist illegal. Mit dem neuen Urteil hat der BGH
darüber hinaus jetzt noch jeglichen Mängelrechten eines Auftraggebers eine
Absage erteilt, der Unternehmer in Schwarzarbeit beschäftigt.

 

3. Wirtschaftlicher Zusammenhang
zwischen Vermächtnis und Versorgungsrente

Kernfrage

Kommt es im Erbgang zum Erwerb von Betriebsvermögen, werden dafür, soweit die
weiteren Voraussetzungen vorliegen, die erbschaftsteuerlichen
Betriebsvermögensprivilegien gewährt. Muss der Erwerber zusätzlich
Verbindlichkeiten übernehmen, die im Zusammenhang mit dem Betriebsvermögen
stehen, werden diese Verbindlichkeiten nicht als voll abzugsfähige
Nachlassverbindlichkeiten behandelt. Sie werden statt dessen nur anteilig im
Verhältnis des nach Anwendung der Betriebsvermögensprivilegien anzusetzenden
Wertes dieses Vermögens zu dem Wert vor Anwendung der Privilegien mindernd
berücksichtigt. Das Finanzgericht Münster hatte darüber zu befinden, wann ein
solcher wirtschaftlicher Zusammenhang besteht.

Sachverhalt

Die Klägerin erhielt als Vermächtnis von ihrem Vater Anteile an einer GmbH und
einer Kommanditgesellschaft (KG). Gleichzeitig musste sie im Wege eines
Untervermächtnisses eine lebenslange Versorgungsrente an ihre Mutter zahlen.
Das Finanzamt gewährte Betriebsvermögensprivilegien, zog aber nur den
Kapitalwert der Versorgungsrente anteilig ab. Die Klägerin beantragte den
vollen Abzug der Versorgungsrente, unterlag aber vor dem Finanzgericht.

Entscheidung

Die anteilige Kürzung der Versorgungsrente ist aufgrund ihres wirtschaftliche
Zusammenhang mit dem begünstigten Betriebsvermögen zutreffend erfolgt. Die
Klägerin habe das begünstigte Vermögen nicht erwerben können, ohne verpflichtet
gewesen zu sein, eine Versorgungsrente zu zahlen. Dieser wirtschaftliche
Zusammenhang sei entgegen anderslautender Literaturstimmen auch nicht dadurch
ausgeschlossen, dass es sich bei dem Untervermächtnis dem Grunde nach um eine
private Schuld der Erwerberin handele. Ebenfalls spiele es keine Rolle, dass
die Versorgungsrente als Verbindlichkeit (bei der Klägerin) und Erwerb (bei der
Mutter) mit einem unterschiedlichen Wert zum Ansatz komme. Für die Mutter
stelle das Untervermächtnis einen eigenständig erbschaftsteuerpflichtigen
Erwerb dar.

Konsequenz

Auf ersten Blick scheint die Begründung des wirtschaftlichen Zusammenhangs
zwischen Erwerb des Betriebsvermögens und Verpflichtung zur Versorgungsrente
zutreffend; allerdings lässt das Urteil die Frage der unterschiedlichen
Wertansätze ein und derselben erbrechtlichen Regelungen beim Erwerber und
Rentenberechtigten offen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Revision
beim Bundesfinanzhof (BFH) ist rechtshängig.

 

4. Zur Beurkundung der Anfechtung
eines Erbvertrages

Kernfrage

Erbverträge als "stärkste" Form der letztwilligen Verfügung sind
unter engen Grenzen anfechtbar. Der häufigste Fall ist das Hinzutreten eines
neuen Pflichtteilsberechtigten; z. B. im Falle der Wiederverheiratung. Will
sich der Erblasser durch Anfechtung von einem früheren Erbvertrag lösen, muss
die Anfechtung notariell beurkundet werden. Sie muss außerdem dem
Nachlassgericht gegenüber bekannt gegeben werden. Regelmäßig erfolgt dies durch
den beurkundenden Notar. Der Bundgerichtshof hatte nunmehr darüber zu befinden,
ob auch die Aufforderung an den Notar, die Anfechtung des Erbvertrages gegenüber
dem Nachlassgericht bekannt zu machen, notariell beurkundet werden muss.

Sachverhalt

Der Erblasser hatte in einem frühen Erbvertrag letztwillige Verfügungen
getroffen. Nach dem Tode seiner ersten Frau heiratete er erneut und errichtete
ein privatschriftliches Testament, mit dem er seine zweite Frau zur Alleinerbin
einsetzte. Daneben erklärte er in notarieller Beurkundung die Anfechtung des
Erbvertrages. Teil der Anfechtung war, dass der Notar auf gesonderte
schriftliche Weisung das Nachlassgericht von der Anfechtung unterrichten
sollte. Diese Weisung erteilte der Erblasser im Anschluss mit einfachem
Schreiben. Nach dem Tode des Erblassers stritten die im Erbvertrag eingesetzten
Erben mit der zweiten Ehefrau darum, ob die Anfechtung des Erbvertrages wirksame
gewesen sei, weil die Aufforderung zur Unterrichtung des Nachlassgerichts nicht
notariell beurkundet worden sei.

Entscheidung

Der Bundesgerichtshof (BGH) sah für ein so weites Verständnis der notariellen
Beurkundungspflicht keinen Grund. Ausschließlich die Anfechtung des
Erbvertrages als solche bedarf der notariellen Beurkundung. Dass die Anfechtung
als weitere Voraussetzung auch gegenüber dem Nachlassgericht bekannt gegeben
werden müsse, führe nicht dazu, dass sich das Kriterium der Beurkundungspflicht
erweitere.

Konsequenz

Die Entscheidung wird so zu verstehen sein, dass sich das Erfordernis der
notariellen Beurkundung tatsächlich alleine auf die eigentliche Anfechtung des
Erbvertrages beschränkt. Sonstige Willenserklärungen, die im Zusammenhang mit
der Anfechtung stehen, werden privatschriftlich abgegeben werden können.

 

5. FA kann bei Nichteinhaltung
selbstgesetzter Frist gegen § 242 verstoßen

Kernaussage

Im Einspruchsverfahren darf der angefochtene Bescheid zu Lasten des
Steuerpflichtigen geändert werden, wenn auf die Möglichkeit einer Verböserung
unter Angabe von Gründen hingewiesen wurde und dem Steuerpflichtigen
Gelegenheit zur Äußerung gegeben wurde. Diese Anhörungspflicht bringt es mit
sich, dass die Verböserung durch Einspruchsrücknahme durch den Steuerpflichtigen
vermieden werden kann. Dadurch kann eine materiell unrichtige Entscheidung
bestandskräftig werden. Setzt das Finanzamt hierzu eine Frist, ist es an diese
gebunden. Eine vorfristige Entscheidung zur Verböserung kann gegen den
Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen.

Sachverhalt


Das beklagte Finanzamt setzte gegen den Kläger Aussetzungszinsen in Höhe von
168 EUR fest. Hiergegen erhob der Kläger Einspruch. Das Finanzamt setzte eine
Frist zur Einspruchsbegründung bis zum 15.4.2009 und teilt im Übrigen mit, dass
die Zinsen verbösend auf 1.181 EUR festzusetzen seien. Es wurde angeregt, den
Einspruch zurückzunehmen. Der Kläger begründete den Einspruch am 26.3.2009 mit
einem Satz und verlangte eine Erläuterung der Ermittlung der Aussetzungszinsen.
Eine Rücknahme erfolgt nicht. Das Finanzamt wies daraufhin am 30.3.2009 den
Einspruch zurück und setzte die Zinsen wie angekündigt hoch. Der Kläger nahm am
15.4.2009 seinen eigentlichen Einspruch zurück und verlangte die Aufhebung der
Verböserung. Das Finanzamt lehnte ab. Die hiergegen gerichtete Klage wurde
zunächst abgewiesen. Der Bundesfinanzhof (BFH) gab aber schließlich dem Kläger
Recht.

Entscheidung

Das Finanzamt hat gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen, indem es
nicht die schutzwürdigen Belange des Klägers berücksichtigt hat, sondern sich
zu seinem früheren Verhalten in Widerspruch setzte. Sofern nicht aus dem
Verhalten des Steuerpflichtigen eindeutig zu erkennen ist, dass er von der
Gelegenheit zur Äußerung keinen Gebrauch machen werde oder bereits abschließend
Gebrauch gemacht habe, darf die gesetzte Frist ausgeschöpft werden. Der
Steuerpflichtige darf sich darauf verlassen, dass das Finanzamt bis zum Ablauf
der Frist keine weiteren Schritte unternimmt.

Konsequenz

Mit der vorliegenden Entscheidung kann der Steuerpflichtige sicher sein, dass
das Finanzamt nicht vorzeitig die angedrohte Verböserung durchführt. Wird eine
Verböserung angedroht, ist sorgfältig zu überlegen, ob der Einspruch
zurückgenommen wird.

 

6. Grobes Verschulden des Steuerberaters
bei Verwendung der Elster-Einkommensteuererklärung

Kernaussage

Den Steuerberater trifft ein grobes Verschulden, wenn er seinem Mandanten
lediglich eine komprimierte Elster-Einkommensteuererklärung zur Überprüfung
aushändigt, ohne zuvor den maßgebenden Sachverhalt vollständig zu ermitteln und
seinem Mandanten damit die Möglichkeit nimmt, die darin enthaltenden Angaben zu
überprüfen.

Sachverhalt

Der Kläger lebte mit seiner Lebensgefährtin und der gemeinsamen Tochter in
einem Haushalt, so dass ihm der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende (§ 24 b
EStG) in Höhe von 1.308 EUR nicht zustand. Die Lebensgefährtin zog aus der
Wohnung aus, so dass der Kläger im Jahr 2007 allein mit seiner Tochter wohnte.
Der Steuerberater des Klägers fertigte wie in den Vorjahren die Steuererklärung
und gab mangels Kenntnis von dem Auszug keinen Entlastungsbetrag für
Alleinerziehende an. Er legte dem Kläger eine mit dem Elster-Programm erstellte
komprimierte Steuererklärung zur Prüfung und Unterzeichnung vor. Diese enthielt
keine Rubrik "Entlastungsbetrag für Alleinerziehende". Nachdem der
Steuerberater von der Trennung Kenntnis erlangt hatte, stellte er für den
Kläger einen Antrag auf Änderung des Steuerbescheids. Das Finanzamt lehnte den
Antrag ab, das Finanzgericht gab dem Kläger Recht.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof (BFH) entschied schließlich, dass dem Kläger der
Entlastungsbetrag für Alleinerziehende im Jahr 2007 nicht gewährt wird. Denn
den Steuerberater trifft ein grobes Verschulden, wenn er seinem Mandanten
lediglich eine komprimierte Elster-Steuererklärung zur Überprüfung aushändigt,
ohne zuvor den maßgebenden Sachverhalt vollständig zu ermitteln. Dadurch nimmt
der Steuerberater seinem Mandanten die Möglichkeit, die in der Steuererklärung
enthaltenden Angaben zu überprüfen. Dieses Verschulden des Steuerberaters wird
dem Steuerpflichtigen zugerechnet. Bei einer Verneinung des groben Verschuldens
würde der vertretene Steuerpflichtige gegenüber dem nicht vertretenen
bessergestellt.

Konsequenz

Durch eine unglückliche Aufgabenteilung zwischen Steuerpflichtigem und
Steuerberater waren hier beide teilweise unwissend. Den Steuerberater traf
jedoch ein grobes Verschulden, da er sicherstellen muss, dass der
Steuerpflichtige zumindest die Möglichkeit hat, die Steuererklärung zu
überprüfen. Offen gelassen wurde vom BFH, ob ein grobes Verschulden des
Steuerberaters stets anzunehmen ist, wenn dieser den Sachverhalt – ohne
entsprechende Anhaltspunkte – nicht vollständig ermittelt.

 

7. Trotz Obsiegens im
Musterprozess: Rechtsbehelf im Parallelstreit muss eingelegt werden

Kernaussage


Der Kläger begehrt die Erstattung von Zoll für eine Einfuhr, ohne dass für
diese Einfuhr ausdrücklich ein Rechtsbehelf eingelegt oder innerhalb der
3-jährigen Antragsfrist ein Erstattungsantrag gestellt war. Das Obsiegen in
einem Musterverfahren ersetzt diese Rechtshandlungen nicht.

Sachverhalt

Die Schuldnerin, für die der Kläger wegen Insolvenz das jetzige Klageverfahren
aufnahm, führte mit zahlreichen Einfuhren MP3-Player ein und ließ sie bei
Zollstellen des Beklagten in den zollrechtlich freien Verkehr überführen. Sie
erreichte in einem vorangegangenen Rechtsstreit vor dem Europäischen
Gerichtshof (EuGH) für die von ihr eingeführten MP3-Player eine Eingruppierung
in die Kombinierte Nomenklatur, die zu einem erheblich niedrigeren Zollsatz
führte. Zuvor hatte der Beklagte für eine andere Lieferung vom 25.7.2007 Zoll
nach dem erhöhten Zollsatz erhoben. Die Schuldnerin hat den festgesetzten Zoll
in Höhe von rd. 21.000 EUR entrichtet. Nach dem gewonnenen Rechtsstreit
beantragte die Schuldnerin ausdrücklich erstmals am 28.12.2010 die Erstattung
des überhöhten Zolls, was der Beklagte ablehnte. Das Finanzgericht (FG) wies
die hiergegen gerichtete Klage ab.

Entscheidung

Die Schuldnerin hat gegen die Abgabenanmeldung keinen Rechtsbehelf eingelegt,
der als Erstattungsantrag gewertet werden könnte. Vielmehr hätte sie Einspruch
einlegen müssen, was unterblieb. Auch fehlte es an einem ausdrücklich
gestellten Erstattungsantrag, der aufgrund Ablaufs der 3-jährigen Antragsfrist
auch nicht mehr nachgeholt werden kann. Eine Fristverlängerung wegen
unvorhersehbaren Ereignissen oder höherer Gewalt, die eine fristgerechte
Antragsstellung hinderten, schied ebenso aus. Schließlich ist auch eine Hemmung
der Antragsfrist durch die Führung eines Parallelrechtsstreits nicht
vorgesehen. Auch das Obsiegen in dem Musterverfahren ersetzt nicht die
Rechtsbehelfseinlegung in dem vorliegenden Verfahren. Das EU-Recht erhält für
die Erstattung gesetzlich nicht geschuldeter Zölle eine abschließende Regelung.

Konsequenz

Die Entscheidung verdeutlicht, dass Rechtsbehelfe stets fristgerecht mit dem
Hinweis auf das Musterverfahren einzulegen sind. Der Steuerpflichtige muss
aktiv tätig werden.

 

8. Einkünfteerzielungsabsicht bei
Ferienwohnungen

Kernaussage

Bei der Vermietung von Ferienwohnungen erfolgt häufig erst nach Jahren die
Überprüfung der Überschuss- und Gewinnerzielungsabsicht. Insbesondere bei
Fremdfinanzierung und Inanspruchnahme von Sonderabschreibungen ist die
steuerliche Verlustnutzung sodann Streitpunkt mit der Finanzverwaltung. Wird
die Ferienwohnung nicht ausschließlich an wechselnde Feriengäste vermietet,
sondern teilweise auch selbstgenutzt, ist zur Feststellung der
Einkünfteerzielungsabsicht eine Prognose unter Heranziehung aller objektiv
erkennbaren Umstände zu erstellen. Der Vorbehalt der Selbstnutzung ist auch
dann schädlich, wenn keine tatsächliche Selbstnutzung vorliegt.

Sachverhalt

Der Kläger hat im Jahr 1999 ein unbebautes Grundstück erworben, auf dem er ein
Ferienhaus errichten ließ. Zugleich schloss er mit einer GmbH einen
Gästevermittlungsvertrag ab, dessen vorformulierte Vertragsbestimmungen eine
Nutzung durch den Kläger außerhalb der Saison für eine maximale Zeit von
jährlich 4 Wochen vorsah. Obwohl der Vertrag eine "hotelmäßige"
Vermietung des Ferienhauses vorsah, wurde dieses ab April 2000 regelmäßig über
Zeiträume von ein bis zwei Wochen vermietet. Die Auslastung lag in den Jahren
2000 bis 2010 zwischen 115 und 184 Vermietungstagen pro Jahr. Das beklagte
Finanzamt erkannte ab dem Jahr 2004 die erklärten Verluste aus Gewerbebetrieb
wegen fehlender Einkünfteerzielungsabsicht nicht mehr an. Der Bundesfinanzhof
(BFH) hob das stattgebende Urteil des Finanzgerichts auf und verwies die Sache
zurück.

Entscheidung


Das Finanzgericht hat zu Unrecht eine Überschussprognose für entbehrlich
gehalten. Vorliegend handelt es sich um Einkünfte aus Vermietung und
Verpachtung. Nach ständiger Rechtsprechung ist bei teilweise selbstgenutzten
und teilweise vermieteten Ferienwohnungen die Einkünfteerzielungsabsicht unter
Heranziehung aller objektiv erkennbaren Umstände zu prognostizieren. Diese
Prognose ist bei Vorbehalt der Selbstnutzung stets zu treffen, unabhängig
davon, ob von der Selbstnutzung tatsächlich Gebrauch gemacht wird. Unerheblich
ist auch, ob die Selbstnutzung einzelvertraglich vereinbart wurde oder sich aus
einem vorformulierten Mustervertrag ergibt. Das Finanzgericht wird daher eine
Totalüberschussprognose durchzuführen haben.

Konsequenz

Das vorliegende Urteil verdeutlicht, dass die Selbstnutzung einer vermieteten
Ferienwohnung zur Vermeidung steuerlicher Nachteile auf jeden Fall vertraglich
ausgeschlossen sein sollte. Nur dann kann die steuerliche Verlustnutzung
gewährleistet sein.

 

9. Steuerermäßigung bei
Dichtheitsprüfung von Abwasserleitungen

Kernproblem

Die Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen für Renovierungs-, Erhaltungs- und
Modernisierungsmaßnahmen wird mit einer Steuerermäßigung auf die
Einkommensteuer von bis zu 20 % der Aufwendungen für Arbeitskosten, höchstens
aber 1.200 EUR begünstigt. Voraussetzung ist, dass die Arbeiten in einem
inländischen Haushalt des Steuerpflichtigen erbracht werden. Was alles zum
Haushalt gehört, ist oft streitbefangen.

Sachverhalt

Für eine Dichtigkeitsprüfung der Abwasserleitung seines privat genutzten
Wohnhauses mittels einer Kamera wurde der Abzug der Personalkosten als
steuerermäßigende Handwerkerleistung begehrt. Aus Sicht des Steuerpflichtigen
zählen dazu auch Kontrollmaßnahmen zur Erhaltung der Immobilie, unabhängig
davon, ob es sich um Arbeiten im oder am Haus handelt.

Entscheidung

Die Finanzrichter erkennen die Personalaufwendungen als steuerermäßigende
Handwerkerleistungen an. Die Kamerauntersuchung wurde zum Zwecke des
Dichtheitsnachweises angeordnet. Dabei handelt es sich um eine Maßnahme, die in
unmittelbarem Zusammenhang mit der Verpflichtung steht, die Abwasserleitung
instand zu halten.

Konsequenz

Das Urteil ist aus Sicht der Steuerpflichtigen zu begrüßen. Diese sollten
vergleichbare Aufwendungen in ihren Steuererklärungen entsprechend ansetzen.
Das letzte Wort wird aber wiederum der Bundesfinanzhof (BFH) haben.

 

10. Nur quotale Privilegien bei
Quotennießbrauch

Kernfrage

Wollen Unternehmer zwar die Unternehmensanteile bereits an die Nachfolger
übergeben, aber die Erträge aus dem Unternehmen für den eigenen Unterhalt
behalten und sich Mitspracherechte sichern, kommt es oft zur Anteilsübertragung
gegen Nießbrauchsvorbehalt. Ziel soll es dabei aber sein, dass die
Betriebsvermögensprivilegien des Erbschaftssteuerrechts genutzt werden können.
Die Rechtsprechung hat hierzu den Grundsatz entwickelt, dass diese Privilegien
nur dann gewährt werden, wenn der Erwerber echter steuerlicher (Mit)Unternehmer
wird und der übertragene Anteil diese Stellung gewährt. Nunmehr hatte der
Bundesfinanzhof (BFH) darüber zu entscheiden, ob die
Betriebsvermögensprivilegien auch – und in welchem Umfang – gewährt werden,
wenn der Schenker sich nur einen anteiligen Nießbrauch vorbehält.

Sachverhalt

Ein Vater hatte seinem Kind einen Kommanditanteil übertragen, sich aber an rd.
90 % dieses Anteils den Nießbrauch vorbehalten; Erträge und Stimmrecht dieser
90 % blieben beim Vater. Das Finanzamt wollte die Betriebsvermögensprivilegien
nur für den unbelasteten 10 %igen Anteil gewähren. Gegen diese Entscheidung
wurde Klage erhoben, die aber zuletzt durch den BFH (gegen die erstinstanzliche
Entscheidung) abgewiesen wurde.

Entscheidung

Dem Grunde nach gegen den zivilrechtlichen Grundsatz, dass ein Kommanditanteil
nicht teilbar ist, gewährte das Gericht die Betriebsvermögensprivilegien nur
für den unbelasteten Anteil des übertragenen Kommanditanteils. Dies deshalb,
weil alleine der unbelastete Anteil dem Erwerber die erforderliche steuerliche
(Mit)Unternehmerstellung eröffne. Der nießbrauchsbelastete Anteil gewähre diese
Rechte gerade nicht. Zum Schutze der Zielsetzung der
Betriebsvermögensprivilegien sei es gerechtfertigt, für erbschaftsteuerliche
Zwecke den Grundsatz der Unteilbarkeit des Kommanditanteils zu durchbrechen.

Konsequenz

Nach der Entscheidung wird beim so genannten Quotennießbrauch nur der
unbelastete Anteil der übertragenen Beteiligung erbschaftsteuerlich
privilegiert. Zwar basiert die Entscheidung auf alter Rechtslage (vor dem
1.1.2009), die Grundsätze gelten aber auch für das Erbschaftsteuerrecht.
Allerdings kann der Nießbrauch nach neuem Recht außerhalb der
Betriebsvermögensprivilegien (wenigstens) wertmindernd berücksichtigt werden.

 

 

Unternehmer und Freiberufler

 

 

  1. Vorsteuerabzug:
    Mindestlizenzgebühren als Teilleistungen

Kernaussage

Aus Eingangsrechnungen, die noch nicht bezahlt sind, ist ein Vorsteuerabzug nur
möglich, wenn die zugehörige Leistung schon erbracht wurde. Bei
Dauerschuldverhältnissen, wie z. B. Mieten ist die Leistung erst am Ende der
Mietzeit erbracht, es sei denn es werden z. B. monatliche Teilleistungen
vereinbart.

Sachverhalt

Eine GmbH erwarb eine Lizenz von einer GbR. Die Höhe der Lizenzgebühr war
abhängig von der Anzahl der mit der Lizenz verkauften Produkte. Daneben wurde
eine Mindestlizenzgebühr vereinbart. Die GbR stellte diese Mindestlizenzgebühr
im Dezember 2000 in Rechnung. Die GmbH meldete die Vorsteuer aus dieser
Rechnung mit der Voranmeldung für Dezember 2000 an. Nachdem die GmbH
festgestellt hatte, dass die Lizenz der GbR zu Unrecht bestand, kündigte sie
den Lizenzvertrag im März 2001, eine Bezahlung der Rechnung über die
Mindestlizenzgebühr unterblieb. Mit der Umsatzsteuerjahreserklärung für 2000
berichtigte die GmbH die Vorsteuer. Der hieraus resultierende Erstattungsanspruch
des Finanzamts wurde nicht beglichen, da die GmbH mittlerweile insolvent war.
Der Geschäftsführer wurde daraufhin wegen Steuerhinterziehung verurteilt.
Ferner erließ das Finanzamt einen Haftungsbescheid gegen ihn für die
rückständige Umsatzsteuer 2000. Ihm wurde vorgeworfen, dass die GmbH die
Vorsteuer, mangels Bezahlung, nicht hätte geltend machen dürfen, da die
Leistung nicht erbracht worden war.

Entscheidung

Der BFH hält den Vorsteuerabzug im Dezember 2000 für korrekt, weil es sich bei
der Vereinbarung der Mindestlizenzgebühr um eine Teilleistung handelt. Da diese
erbracht war, kam es auf deren Bezahlung nicht mehr an. Auch bestand für die
GmbH nach Kündigung des Vertrages zwar die Pflicht die Vorsteuer zu
berichtigen, aber nicht im Jahr 2000. Vielmehr muss die Korrektur in dem Jahr
erfolgen in dem die Uneinbringlichkeit eingetreten ist, also in 2001.

Konsequenz

Der Prozess vor dem Finanzgericht endet erfreulicher für den Kläger als der
Strafprozess. Eine Haftungsinanspruchnahme des Klägers ist nicht möglich, da es
an einer Steuerhinterziehung fehlt. Unerfreulich ist vorliegend jedoch, dass
das Urteil nichts an der strafrechtlichen Verurteilung des Geschäftsführers
wegen Steuerhinterziehung mehr ändert.

 

2. Unterliegt der Verzicht auf
Vertragserfüllung der Umsatzsteuer

Kernaussage

Der Umsatzsteuer unterliegen Leistungen von Unternehmern gegen Entgelt. Das
Vorliegen einer Leistung setzt jedoch nicht zwingend eine aktive Tätigkeit
voraus. Auch wer gegen Entgelt Handlungen unterlässt, kann der Umsatzsteuer
unterliegen. Dies galt bisher z. B. für den entgeltlichen Verzicht auf
Vertragserfüllung durch den beauftragten Unternehmer.

Sachverhalt

Die Klägerin erbrachte EDV-Dienstleistungen an ein nahestehendes Unternehmen
auf Selbstkostenbasis. Grundlage hierfür war ein über drei Jahre geschlossener
Dienstleistungsvertrag. Im zweiten Jahr des Vertrages kündigte der Kunde den
Vertrag und wies daraufhin, dass er im dritten Jahr keine Leistungen mehr
beziehen werde, so dass für diesen Zeitraum auch keine Kosten mehr abzurechnen
wären. Der Kläger war hiermit nicht einverstanden, da er schon Investitionen im
Hinblick auf den fortlaufenden Vertrag getätigt hatte. Man einigte sich
schließlich auf einen Betrag, den der Kunde noch als "Schadensersatz"
zu zahlen habe. Entgegen der Auffassung der Beteiligten, wollte das Finanzamt
diesen Betrag der Umsatzsteuer unterwerfen.

Entscheidung

Abweichend von der Rechtsprechung des BFH kommt das FG München zu dem Ergebnis,
dass die Zahlung aufgrund des Vergleiches nicht der Umsatzsteuer unterliegt.
Zum einen sieht das FG in dem Verzicht auf die Vertragserfüllung keine Leistung
des Klägers, zum anderen stelle die Zahlung kein Entgelt, sondern eine
Entschädigung dar, die auch ohne den Vergleich gesetzlich dem Kläger
zugestanden habe.

Konsequenz

Das Urteil betrifft nur die Konstellation, in der der Leistende auf die weitere
Ausführung seiner Leistung verzichtet. Ein Verzicht des Leistungsempfängers
gegen Entgelt auf die weitere Inanspruchnahme einer Leistung unterliegt dagegen
der Umsatzsteuer. Gegen das Urteil ist die Revision eingelegt worden, so dass
der BFH nun prüfen muss, ob er von seiner bisherigen Rechtsprechung abweichen
will. Bis zur Klärung der Rechtslage sollten die leistenden Unternehmen in
solchen Fällen weiterhin die erhaltenen Zahlungen der Umsatzsteuer unterwerfen.
Die entsprechenden Veranlagungen könnten dann bis zur Entscheidung des BFH
offengehalten werden. Für die Kunden stellt dies allerdings ein Problem dar,
sofern sie nicht zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt sind. Hier könnte der
Vergleich durch entsprechende Klauseln so gestaltet werden, dass den Kunden ein
Erstattungsanspruch zusteht, sollte sich die Auffassung des FG durchsetzen.

 

3. Rechnungen weg, was nun?

Kernaussage

Der Vorsteuerabzug setzt das Vorliegen einer Rechnung voraus. Es gilt die
Regel, ohne Rechnung kein Vorsteuerabzug. Doch wie sieht es aus, wenn die
Rechnungen verloren gehen?

Sachverhalt

Im Rahmen einer Betriebsprüfung konnte der spätere Kläger die angeforderten
Rechnungen nicht vorlegen. Zur Begründung verwies er darauf, dass er habe
umziehen müssen und er zu diesem Zweck die Buchführungsunterlagen nebst
EDV-Anlage auf einen Lkw geladen habe. Dieser sei ihm dann geklaut worden. Der
Kläger konnte nur wenige Kopien der Rechnungen vorlegen. Das Finanzamt schätzte
daraufhin den Vorsteuerabzug mit 60 % der angemeldeten Beträge, basierend auf
dem Ergebnis der vorangegangen Betriebsprüfung. Dem Kläger war der Ansatz zu
gering. Er verwies darauf, dass die Kürzung der Vorsteuer bei der letzten
Betriebsprüfung den Erwerb eines Grundstückes betraf, also einmalig war. Ferner
wären alle Eingangsrechnungen vom Steuerberater gebucht worden. Dieser
versichere nur ordnungsgemäße Rechnungen verbucht zu haben. Auch würden ihm
seine Lieferanten bestätigen, dass sie immer mit USt abgerechnet hätten.

Entscheidung

Das FG Sachsen-Anhalt hält die Schätzung für zulässig. Demnach kann das
Finanzamt die Besteuerungsgrundlagen schätzen, wenn der Steuerpflichtige die
von ihm zu führenden Bücher nicht vorlegen kann. Ob den Steuerpflichtigen
diesbezüglich eine Schuld trifft ist unerheblich. Die Höhe der Schätzung ist
nach Ansicht des FG nicht zu beanstanden, da der Kläger nur Vorsteuerbeträge in
Höhe von insgesamt ca. 57.000 DM durch Kopien hatte nachweisen können, das
Finanzamt jedoch ca. 925.000 DM anerkannt hatte. Ein höherer Ansatz scheitere
auch daran, dass der Kläger zwar durch seinen Steuerberater und durch seine
Lieferanten nachweisen konnte, dass Rechnungen vorgelegen haben, nicht jedoch,
ob diesen Leistungen zugrunde lagen, die zum Vorsteuerabzug berechtigen.

Konsequenz

Der konkrete Fall mag abenteuerlich klingen, hat aber durchaus Relevanz. Es
muss nicht unbedingt ein Diebstahl sein, der zum Verlust der
Buchführungsunterlagen führt. So kann Hochwasser, wie in diesem Sommer, zur
Vernichtung aller Belege nebst EDV führen, ebenso Datenverluste in der EDV bei
unzureichender Sicherung, sofern die Belege elektronisch archiviert wurden.
Hier hilft natürlich nur eine entsprechende Vorsorge. Der Versuch nach Verlust
der Rechnungen Kopien zu besorgen, ist selten erfolgversprechend, und zudem mit
viel Aufwand verbunden.

 

4. Zur Ortsbestimmung bei Lagerung
von Waren

Kernaussage

Dienstleistungen, die an Unternehmer in anderen Mitgliedsstaaten der EU
erbracht werden, werden i. d. R. am Sitz des Leistungsempfängers besteuert. Der
Leistungsempfänger ist hierbei Schuldner der USt (Reverse Charge). Von dieser
Grundregel gibt es jedoch zahlreiche Ausnahmen, z. B. bei Leistungen i. V. m.
Grundstücken, die am Ort des Grundstücks besteuert werden (Belegenheitsprinzip).
Gerade hier ist die Abgrenzung in der Praxis oft schwierig.

Sachverhalt

Ein polnisches Unternehmen erbrachte Lagerleistungen an Unternehmen aus der
übrigen EU. Die Leistung beinhaltete u. a. die Annahme der Waren in einem Lager
in Polen, ihre Unterbringung auf geeigneten Lagerregalen, ihre Aufbewahrung,
ihre Verpackung, ihre Ausgabe sowie ihr Ent- und Beladen. Strittig war, ob
diese Umsätze in Polen als Leistungen i. V. m. einem Grundstück zu besteuern
sind oder – so die Auffassung des Klägers – am Sitz der Kunden.

Entscheidung

Der EuGH behandelt die erbrachten Leistungen als einheitliche (Lager-)Leistung.
Lediglich das Umpacken der Waren kann eine eigenständige Dienstleistung
darstellen, sofern sie nicht der Lagerung an sich dient. Diese einheitliche
Leistung ist nur dann als Leistung i. V. m. einem Grundstück anzusehen, wenn
den Kunden das Recht auf Nutzung eines ausdrücklich bestimmten Grundstückes
oder eines Teiles hiervon gewährt wird. Dies setze allerdings voraus, dass die
Kunden ein Recht auf den Zugang zum Grundstück hätten oder das Grundstück
zentraler und unverzichtbarer Bestandteil des Umsatzes wäre.

Konsequenz

Normalerweise besteht für die einlagernden Unternehmen weder das Recht auf
Zugang zu dem Teil des Grundstückes, in denen ihre Waren lagern, noch stellt
dieses Grundstück den zentralen und unverzichtbaren Bestandteil der
Dienstleistung dar. Die Lagerleistungen werden daher i. d. R. am Sitz des
Kunden erbracht und nicht am Lagerort. Nach Ansicht des BMF ist für die Annahme
einer grundstücksbezogenen Dienstleistung erforderlich, dass ein bestimmter
Teil des Grundstückes überlassen wird. Insoweit stimmt das BMF mit dem EuGH
überein. Hinsichtlich des Rechtes der Kunden auf Zugang zum Grundstück trifft
das BMF allerdings bisher keine Aussage. Es bleibt abzuwarten, ob die
Verwaltung hier dem EuGH folgen wird. Zu beachten ist, dass Dienstleistungen,
die zwar im Zusammenhang mit der Lagerung erbracht werden, aber selbst nicht
der besseren Lagerung dienen, selbständig umsatzsteuerlich zu würdigen sind.

 

5. Leasingverträge:
Ausgleichsansprüche umsatzsteuerpflichtig?

Kernaussage

In Leasingverträgen wird oft vereinbart, dass der Leasingnehmer einen
Minderwertausgleich bei Kündigung des Leasingvertrages zu zahlen hat, sofern er
Schäden am Fahrzeug durch eine nicht vertragsgemäße Nutzung verursacht hat.
Bisher war höchst umstritten, ob diese Ausgleichszahlungen der Umsatzsteuer
unterliegen oder als Schadensersatz nicht steuerbar sind. Während der BGH die
Ausgleichszahlungen bisher als Schadensersatz qualifiziert hatte, folgte das
BMF dieser Auffassung nur teilweise. Demnach sollen nur solche Zahlungen
Schadensersatz darstellen, die als Ersatz für zukünftige Leasingraten geleistet
werden. Dagegen sollen Zahlungen, die dem Ausgleich des Minderwertes dienen der
Umsatzsteuer unterliegen, unabhängig von der Ursache der Wertminderung.

Sachverhalt

Strittig war die umsatzsteuerliche Erfassung vertraglich vereinbarter
Ausgleichszahlungen, die die Leasingnehmer zu zahlen hatten, wenn das jeweilige
Fahrzeug bei Rückgabe nicht so erhalten war, wie vertraglich vorgesehen.

Entscheidung

Der BFH qualifiziert den Ausgleich des Minderwertes, ebenso wie der BGH, als
nicht steuerbaren Schadensersatz. Im Gegensatz zur Zahlung der Leasingraten für
die Nutzungsüberlassung, steht der Zahlung des Minderwertausgleiches keine
eigenständige Leistung des Leasinggebers gegenüber, die eine Besteuerung
rechtfertigen würde.

Konsequenz

Das BMF wird nun seine Auffassung revidieren müssen. Es bleibt zu hoffen, dass
dies schnell geschieht, damit in diesem Bereich Rechtssicherheit eintritt.
Leasingnehmer, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sind (z. B. Privatleute)
sollten zumindest zukünftig den Ausweis der Umsatzsteuer in solchen Fällen
nicht mehr akzeptieren. Leasinggeber müssen prüfen, ob Veranlagungen der
Vorjahre noch zu ändern sind. Allerdings setzt dies voraus, dass die
Abrechnungen des Minderwertausgleichs, sollten in ihnen die Umsatzsteuer offen
ausgewiesen worden sein, berichtigt werden. Allerdings setzen die Korrekturen
voraus, dass die jeweils vertraglich vereinbarte Zahlung auch tatsächlich
Schadensersatz darstellt. Dies gilt zwar für den leasingtypischen
Minderwertausgleich, nicht jedoch nur weil im Vertrag das Wort
"Schadensersatz" erwähnt wird. Hier ist nicht die Bezeichnung
entscheidend, sondern das wirtschaftlich Vereinbarte.

 

6. 2014 droht Freiberuflern das
Ende der Istbesteuerung

Kernaussage

Das UStG unterscheidet zwischen der Ist- und der Sollversteuerung. Bei der
Sollversteuerung ist die Umsatzsteuer fällig, wenn die Leistung erbracht wurde,
bei der Istbesteuerung hingegen erst wenn der Kunde zahlt. Die Istbesteuerung
bietet daher deutliche Liquiditätsvorteile gegenüber der Sollbesteuerung.

Aktuelle
Rechtslage


Zur Istbesteuerung können Unternehmen optieren, – deren Gesamtumsatz im Vorjahr
nicht mehr als 500.000 EUR betragen hat oder – die nicht nach § 148 AO
verpflichtet sind, Bücher zu führen und Abschlüsse zu erstellen oder – soweit
sie Umsätze aus einer Tätigkeit als Angehörige eines freien Berufes ausführen.
Aufgrund dieses vermeintlich klaren Gesetzeswortlauts war bisher unterstellt
worden, dass Freiberufler die Istbesteuerung grundsätzlich anwenden können.
Allerdings hat der BFH dieser Ansicht jüngst überraschend ein Ende bereitet.
Demnach sollen Freiberufler nur dann die Istbesteuerung nutzen können, wenn sie
nicht zur Buchführung verpflichtet sind und auch nicht freiwillig Bücher
führen.

Neue
Verwaltungsanweisung


Das BMF folgt nun dieser Ansicht. Mit Wirkung zum 1.1.2014 sollen die
Finanzämter die Genehmigung zur Istbesteuerung für Freiberufler, die Bücher
führen, zurücknehmen. Dies gilt allerdings nur, wenn der betreffende
Freiberufler, die o. g. Umsatzgrenze überschritten hat.

Konsequenz

Da Freiberufler i. d. R. Bücher führen, werden diejenigen, die in 2013 einen
Gesamtumsatz von mehr als 500.000 EUR erzielt haben, zum 1.1.2014 zur
Sollbesteuerung wechseln müssen. Dadurch, dass dann die Umsatzsteuer
vorfinanziert werden muss, folgt allgemein eine Verschlechterung der
Liquidität, der nur durch ein verbessertes Debitorenmanagement begegnet werden
kann. Daneben hat dies aber auch Konsequenzen für die Umsatzsteuervoranmeldung
des Januars 2014. Hier muss sichergestellt werden, dass Zahlungen für Vorjahre
umsatzsteuerlich erfasst werden. Dies muss in den Umsatzsteuervoranmeldungen
des Monats geschehen, in denen die Zahlung erfolgt. Eine komplette
Nachversteuerung mit Wechsel zur Sollbesteuerung im Januar 2014 ist daher nicht
erforderlich. Zu beachten ist, dass nach Ansicht des BFH im Rahmen der
Sollbesteuerung keine zu hohen Anforderungen an eine Korrektur der Umsatzsteuer
gestellt werden dürfen. Demnach können Forderungen umsatzsteuerlich schon
ausgebucht werden, wenn diese von der Gegenseite bestritten werden. Die
Korrektur der Umsatzsteuer kann daher wesentlich früher erfolgen, als
handelsrechtlich bzw. ertragsteuerlich ein Forderungsausfall zu erfassen ist.

7. Wann droht Wegfall des
Anspruchs auf Entgeltfortzahlung bei Unfall?

Kernfrage

Die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall
entfällt nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz dann, wenn der Arbeitnehmer seine
Erkrankung selber schuldhaft herbeigeführt hat. Dabei stellt sich die Frage,
wie dieser (Eigen)Verschuldensmaßstab des Entgeltfortzahlungsgesetzes zu
verstehen ist. Hierüber hatte das Landesarbeitsgericht Köln zu befinden.

Sachverhalt

Der Kläger war, nachdem er auf nassem Boden in einem Restaurant ausgerutscht
war, vier Wochen arbeitsunfähig erkrankt. Der beklagte Arbeitgeber verweigerte
die Entgeltfortzahlung. Er begründete dies damit, dass der Arbeitnehmer den
Unfall selber herbeigeführt habe, weil er rutschiges Schuhwerk getragen habe,
obwohl er in den Tagen vor dem Unfall durch mehrere Mitarbeiter und Vorgesetzte
darauf hingewiesen worden sei, anderes Schuhwerk zu tragen. Der Kläger wandte
dagegen ein, er habe am Unfalltag das richtige Schuhwerk getragen; allerdings
sei nicht ausreichend auf den nassen Boden hingewiesen worden.

Entscheidung

Das Landesarbeitsgericht gab dem Kläger Recht. Unabhängig davon, ob der Kläger
das richtige Schuhwerk am Unfalltag getragen habe, könne selbst das falsche
Schuhwerk nicht dazu führen, dass der Entgeltfortzahlungsanspruch wegfalle.
Denn der Verschuldensmaßstab, den das Entgeltfortzahlungsgesetz hierfür
verlange, gehe deutlich über den Grad der einfachen Fahrlässigkeit des
Zivilrechts hinaus. Im Ergebnis hätte der Kläger völlig leichtsinnig handeln
müssen.

Konsequenz

Der Verschuldensmaßstab des Entgeltfortzahlungsgesetzes orientiert sich nicht
an dem des Zivilrechts. Für einen Wegfall des Entgeltfortzahlungsanspruches
muss der Arbeitnehmer in einem besonders groben Grad fahrlässig gehandelt
haben.

 

8. Gegenseitige
Risikolebensversicherungen von GbR-Gesellschaftern

Kernaussage

Beiträge einer Risikolebensversicherung sind nicht betrieblich veranlasst, wenn
sich die Gesellschafter einer Rechtsanwaltssozietät im Gesellschaftsvertrag
gegenseitig zum Abschluss einer Versicherung auf den Todesfall verpflichten, um
sich gegen die wirtschaftlichen Folgen des Ausfalls eines Gesellschafters
abzusichern.

Sachverhalt


Die Klägerin ist eine Rechtsanwaltskanzlei in Rechtform einer GbR. Die
Gesellschafter waren gemäß Gesellschaftsvertrag verpflichtet, für das Leben des
jeweils anderen Gesellschafters eine Risikolebensversicherung abzuschließen.
Durch die Versicherungsprämie sollte der durch den Tod eines Gesellschafters
drohende Umsatzausfall abgedeckt und die Fortführung der Kanzlei sichergestellt
werden. Die Klägerin machte mit ihren Erklärungen zur einheitlichen und
gesonderten Feststellung ihrer Einkünfte die Versicherungsprämien als
Sonderbetriebsausgaben der Gesellschafter geltend. Das beklagte Finanzamt
lehnte dies ab. Die hiergegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg.

Entscheidung


Die Prämien einer Risikolebensversicherung sind nicht als Sonderbetriebsausgaben
bei der Gewinnermittlung abzuziehen. Eine Berücksichtigung ist nur dann
möglich, wenn die versicherte Gefahr durch den Betrieb veranlasst wurde. Dies
ist z. B. der Fall bei dem speziellen Risiko einer Berufskrankheit oder einer
Gefahrerhöhung aufgrund betrieblicher Tätigkeit. Die Ausübung des Berufs des
Rechtsanwalts ist aber mit keinem erhöhten berufsspezifischen Risiko verbunden,
zu versterben. Unerheblich ist zudem, welche Schäden beim Eintritt des
Versicherungsfalls zu ersetzen sind oder ob die Versicherungsleistungen
aufgrund von Vereinbarungen für den Betrieb verwendet werden.

Konsequenz

Der BFH entschied hingegen für den Betriebsausgabenabzug im Fall einer
Lebensversicherung auf das Leben eines Angehörigen eines Gesellschafters, die
zum Zwecke der Tilgung betrieblicher Kredite abgeschlossen wurde. Im Gegensatz
zu einer Risikolebensversicherung, bei der keine Versicherungsleistung anfällt,
wenn der Versicherungsnehmer den Zeitpunkt des Vertragsablaufes erlebt, kann
der Zweck der Absicherung des Todesfallrisikos in den Hintergrund treten. Die
Art der Versicherung ist somit entscheidend.

 

9. Kausalität ist auch bei
unseriösen Kapitalmarktinformationen notwendig

Kernaussage

Auf den Nachweis der konkreten Kausalität einer Kapitalmarktinformation für den
Willensentschluss des jeweiligen Anlegers kann im Rahmen der vorsätzlichen
sittenwidrigen Schädigung nicht verzichtet werden.

Sachverhalt


Die Beklagte, eine nicht börsennotierte Aktiengesellschaft, verkaufte ab dem
Jahr 1990 an Teile der türkisch-stämmigen Bevölkerung Firmenanteile, wobei sie
weitgehend von Mund-zu-Mund Propaganda damit warb, dass es sich um eine mit
islamischen Glaubensgrundsätzen konforme Alternative zu herkömmlichen,
verzinslichen Geldanlagen handle. Zudem sollten die Anleger die Teilhaberschaft
jederzeit mit einer Frist von drei Monaten kündigen können; die Anteile würden
dann zurückgenommen und der Anlegerbetrag würde zurückgezahlt. Diese
Information enthielt auch einen Geschäftsbericht aus dem Jahr 1994. Bis zum
Jahr 2001 wurden die Anteilskäufe auf Verlangen der Teilhaber von der Beklagten
rückabgewickelt. Danach stellte die Beklagte die Zahlung von Ausschüttungen und
die Rückzahlung angelegter Gelder ein. Im Jahr 2007 wurde Insolvenz angemeldet.
Die Klägerin erwarb im Jahr 2000 Anteilsscheine an der Beklagten. Sie sieht
sich getäuscht. Das Landgericht wies die Klage ab. Das Oberlandesgericht gab
ihr statt. Der Bundesgerichtshof (BGH) teilte schließlich die Auffassung des
Landgerichts.

Entscheidung

Vorliegend kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Organe der Beklagten
von vornherein in dem Bewusstsein einer möglichen Anlegerschädigung
systematisch Gelder einsammeln wollten. Insbesondere muss bei einer
unternehmerischen Beteiligung mit Verlusten bis zum Totalverlust des Kapitals
gerechnet werden. Im Rahmen der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung kann
zudem auf den Nachweis der konkreten Kausalität einer Kapitalmarktinformation
für den Willensentschluss des jeweiligen Anlegers selbst bei extrem unseriöser
Kapitalmarktinformation nicht verzichtet werden. Insofern ist das enttäuschte
allgemeine Anlegervertrauen auf die Erfüllung der in die Anlage gesetzten
Erwartungen nicht ausreichend. Eine "generelle" Kausalität einer
falschen Werbeaussage erscheint unter Schutznormaspekten unvertretbar, denn im
Sinne einer "Dauerkausalität" würde sie auf unabsehbare Zeit jedem
beliebigen Erwerber der Anteile kenntnisunabhängig zugutekommen. Eine dadurch
bewirkte Ausdehnung der Haftung ist im Hinblick auf den schwer wiegenden Vorwurf
der sittenwidrigen Schädigung rechtlich unvertretbar.

Konsequenz

Werden Chancen falsch dargestellt, Risiken verschwiegen oder unternehmerischen
Verflechtungen verschleiert, können Anleger in die Irre geführt werden. Diese
Irreführung muss allerdings Einfluss auf die Anlageentscheidung haben.

 

10. Bewertung von
Gesellschafterforderungen bei der Erbschaftsteuer

Kernfrage

Das alte Bewertungsrecht (bis 31.12.2008) für die Erbschaftsteuer sah vor, dass
Betriebsvermögen mit den Steuerbilanzwerten bewertet wurden. Mit anderen
Worten, die Bewertungsansätze der Steuerbilanz wurden für Zwecke der
Erbschaftsteuer maßgeblich. Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte nunmehr darüber zu
entscheiden, ob dieser Grundsatz, insbesondere im Fall der Uneinbringlichkeit
einer Forderung durchbrochen werden kann.

Sachverhalt

Der Erblasser hinterließ im Nachlass eine Beteiligung an einer
Kommanditgesellschaft. Gegen diese Kommanditgesellschaft hatte der Erblasser,
z. B. aus Pachtverträgen, schuldrechtliche Forderung. Diese wurden auf einem
Verrechnungskonto gebucht und in einer Sonderbilanz des Erblassers bei der
Kommanditgesellschaft geführt. Kurz nach dem Tode des Erblassers wurde das
Insolvenzverfahren über die Kommanditgesellschaft eröffnet und nach einiger
Zeit mangels Masse abgelehnt. Im Rahmen der Erbschaftsteuer wurden die
Forderungen des Erblassers gegen die Kommanditgesellschaft mit ihrem
Steuerbilanzwert, also dem Nennwert, bewertet und der Erbschaftsteuer
unterworfen. Hiergegen wandte sich der Erbe und machte geltend, die Forderungen
seien tatsächlich wertlos gewesen.

Entscheidung

Der BFH hielt an den Steuerbilanzwerten fest. Insbesondere bei Forderungen des
Gesellschafters gegen die Gesellschaft gelten für deren Bewertung die
ertragsteuerlichen Grundsätze. In der Mitunternehmerschaft bedeute dies aber,
dass Forderungen des Gesellschafters in der Gesamt(hands)bilanz wie
Eigenkapital auszuweisen seien. Selbst wenn sich die Forderung als wertlos
erweise, folge aus der Behandlung als Eigenkapital, dass eine Wertberichtigung
während des Bestehens der Gesellschaft nicht in Frage komme. Entsprechend sei
die Forderung mit dem Nennwert als Betriebsvermögen zu bewerten.

Konsequenz

Nach der Entscheidung kann im alten Erbschaftsteuerrecht nicht von den
Steuerbilanzwerten abgewichen werden. Allerdings betrifft die Entscheidung
lediglich altes Erbschaftsteuerrecht.

 

11. Meisterpräsenz bei
Hörakustik-Unternehmen nicht ständig erforderlich

Kernaussage

Es ist weder als irreführend anzusehen noch als ein Verstoß gegen den Grundsatz
der Meisterpräsenz nach der Handwerksordnung zu werten, wenn der Meister in
einem Hörgeräteakustik-Unternehmen nicht ständig anwesend, sondern noch für
einen zweiten Betrieb in einer benachbarten Stadt zuständig ist.

Sachverhalt


Die Klägerin und die Beklagte sind im Bereich des Hörgeräteakustikhandwerks
tätig, bei dem es sich nach der Handwerksordnung um ein zulassungspflichtiges
Handwerk handelt. Die Klägerin stellte fest, dass die Beklagte in zwei
Betrieben gleichzeitig, die ca. 26 km voneinander entfernt sind, einen
Hörgeräteakustikmeister beschäftigt, der in der Handwerksrolle eingetragen ist.
Beide Betriebe haben die gleichen Öffnungszeiten. Die Klägerin ist daher der
Ansicht, es liege eine wettbewerbsrechtliche Unlauterkeit vor wegen Verstoßes
gegen die Handwerksordnung und wegen Irreführung im Hinblick auf die beworbenen
Öffnungszeiten bei nicht zeitgleich gewährleisteter Meisterpräsenz. Das LG und
das OLG gaben der Klage statt. Der Bundesgerichtshof (BGH) wies die Klage ab.

Entscheidung

Die Ausübung des Hörgeräteakustikerhandwerks unterliegt als Gesundheitshandwerk
der Qualitätssicherung. Entsprechend ist der selbständige Betrieb des Handwerks
nur solchen juristischen Personen gestattet, die in der Handwerksrolle
eingetragen sind. Die Eintragung erfordert, dass der Betriebsleiter die
Voraussetzungen für die Eintragung in die Handwerksrolle mit dem zu
betreibenden Handwerk erfüllt. Die systematische Aufteilung eines
Betriebsleiters zwischen zwei Betrieben stellt keine Irreführung der
Verbraucher dar. Der Kunde erwartet nicht, dass der Meister permanent im
Ladenlokal anwesend ist. Insbesondere ist im vorliegenden Bereich eine
vorherige Terminsvereinbarung üblich. Somit wird der Kunde nicht getäuscht,
wenn die durch den Meister vorzunehmenden Untersuchungen nur nach
Terminabsprache angeboten werden. Auch liegt kein Verstoß gegen die
Handwerksordnung vor. Zwar ist für eine Betriebsstätte des vorliegenden
Gesundheitshandwerks grundsätzlich ständige Meisterpräsenz zu verlangen.
Allerdings darf das Ladenlokal auch offen gehalten werden, wenn der Meister
nicht da ist. Durch Terminsvereinbarung sind schließlich auch in diesem Fall
Dienstleistungen möglich.

Konsequenz


Das vorliegende Urteil wird die Diskussion um die Meisterpräsenz in den
Betrieben auch in anderen Berufsgruppen des Gesundheitshandwerks verstärken.
Unzulässig ist allerdings die nur gelegentliche Präsenz des Meisters.

 

12. Wann ist die Erhebung von
Nachzahlungszinsen unbillig?

Kernaussage

Die Erhebung von Nachzahlungszinsen ist nicht unbillig, obwohl die
Nachzahlungszinsen nicht mehr steuermindernd geltend gemacht werden können.
Denn der Gesetzgeber hat bewusst die systemwidrige Abzugsmöglichkeit von
Nachzahlungszinsen abgeschafft.

Sachverhalt

Der klagende Rechtsanwalt erzielte Einkünfte als Insolvenzverwalter. Das
Finanzamt beurteilte nach einer Außenprüfung die entsprechenden Einkünfte der
Jahre 1998 bis 2002 als gewerbliche Einkünfte. Es erließ für die Streitjahre
Gewerbesteuermessbescheide und gewährte bei der Einkommensteuer die
Tarifermäßigung nach dem damaligen § 32c EStG. Auf die Klage des Rechtsanwalts
wurden die Gewerbesteuermessbescheide aufgehoben und auch die Tarifermäßigung
wurde zurückgenommen. Dies führte zu Einkommensteuernachzahlungen und
Nachzahlungszinsen. Darauf beantragte der Rechtsanwalt, die Zinsen aus Billigkeitsgründen
zu erlassen, was abgelehnt wurde.

Entscheidung

Auch das Finanzgericht lehnte die Klage auf den Zinserlass ab. Zu den
Nachzahlungszinsen kam es aufgrund einer Rechtsprechungsänderung des
Bundesfinanzhofs (BFH) bei der Beurteilung der Einkünfte eines
Insolvenzverwalters. Die Einkünfte des klagenden Insolvenzverwalters waren
demnach nicht mehr als gewerbliche, sondern als Einkünfte aus selbständiger
Tätigkeit zu beurteilen. In der Folge musste der Liquiditätsvorteil des
Rechtsanwalts für die zeitweise ungerechtfertigte Gewährung der Tarifermäßigung
ausgeglichen werden. Dies geschieht typisiert mit 6 % per anno und wirkt für
und gegen den Steuerpflichtigen. Die Nichtabziehbarkeit dieser
Nachzahlungszinsen ist nicht unbillig, da der Gesetzgeber durch das
Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 bewusst den systemwidrigen
steuermindernden Abzug der Nachzahlungszinsen abgeschafft hat.

Konsequenz

Vorliegend konnte der Rechtsanwalt keine Unbilligkeit aufzeigen, weshalb auch
keine Billigkeitsmaßnahme in Frage kam. Im Übrigen gilt verallgemeinernd, dass
der Abschaffung einer systemwidrigen Steuerabzugsmöglichkeit nicht mit einer
Billigkeitsmaßnahme entgegengewirkt werden darf.

 

13. Kein Rechtsschutzbedürfnis für
2. Antrag auf HR-Eintragung bei gleicher Rechtslage

Rechtslage

Ein Kommanditistenwechsel im Wege der Sonderrechtsnachfolge stellt kein
Ausscheiden bzw. keinen Eintritt eines Kommanditisten dar und führt nicht zu
einer Verdopplung der Haftungssumme. Voraussetzung ist aber, dass die
Sonderrechtsnachfolge im Handelsregister eingetragen wird. Hierfür wird eine
negative Abfindungsversicherung verlangt, wonach an den ausscheidenden
Kommanditisten keinerlei Abfindung bezahlt worden ist. Wird der
Eintragungsantrag wegen der fehlenden Versicherung zurückgewiesen, fehlt für
einen gleichlautenden weiteren Antrag das Rechtsschutzbedürfnis, wenn sich die
Sach- und Rechtslage nicht ändert.

Sachverhalt

Bei einem Kommanditistenwechsel meldeten die beteiligten Gesellschafter an,
dass die ausgeschiedene Kommanditistin die im Handelsregister eingetragene
Haftsumme nicht erhalten hat, lediglich die darüber hinausgehenden Beträge
wurden an sie ausgezahlt. Das Registergericht beanstandete diese Erklärung.
Gegen diese Beanstandung legten die Beteiligten Beschwerde ein, die zurückgewiesen
wurde. Die Anmeldung wurde sodann zurückgenommen. Mit weiterer Anmeldung, die
weitgehend mit der ersten Anmeldung identisch war, wurde erneut keine negative
Abfindungsversicherung abgegeben, weshalb das Registergericht diese zurückwies.
Die hiergegen gerichtete Sprungrechtsbeschwerde wurde vom Bundesgerichtshof
(BGH) mangels Rechtsschutzbedürfnisses zurückgewiesen.

Entscheidung

Wird ein Eintragungsantrag zurückgewiesen, fehlt für einen gleichlautenden
Antrag das Rechtsschutzbedürfnis, wenn sich die Sach- und Rechtslage nicht
geändert hat. Zwar entfaltet eine Entscheidung, mit der eine Eintragung
abgelehnt wird, keine materielle Rechtskraft. Für die erneute Befassung der
Gerichte mit dem bereits geklärten Sachverhalt besteht aber kein schutzwürdiges
Interesse. Mit der Beschwerde und ihrer Befristung wollte der Gesetzgeber
Rechtsfrieden hinsichtlich des zur Entscheidung stehenden Entscheidungsgrundes
schaffen. Die in der Beanstandung als Eintragungshindernis genannte negative
Abfindungsversicherung haben die Beteiligten mit dem neuen Antrag nicht
abgegeben. Die Erstentscheidung ist zudem nicht offensichtlich falsch und
entspricht höchstrichterlicher Rechtsprechung, wonach die Eintragung des
Sonderrechtsnachfolgevermerks von der Einreichung einer negativen
Abfindungsversicherung abhängig zu machen ist.

Konsequenz

Die Registergerichte halten standardisiert an entsprechenden
Abfindungsversicherungen fest. Zugunsten einer schnellen Eintragung sollte
diese Praxis beachtet werden.

 

14. Wegfall der Klagebefugnis von
Personengesellschaft nach Vollbeendigung

Kernaussage

Die Vollbeendigung einer Personengesellschaft hat zur Folge, dass die als
Prozessstandschaft bestehende Prozessführungsbefugnis entfällt und deshalb die
früheren Gesellschafter einen den Zeitraum ihrer Mitgliedschaft betreffenden
Gewinnfeststellungsbescheid selbst angreifen müssen. Die Klagebefugnis geht
auch nicht auf den Rechtsnachfolger der vollbeendeten Personengesellschaft
über.

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine GmbH. Sie ist durch formwechselnde Umwandlung einer
Kommanditgesellschaft (KG), an der ausschließlich Kapitalgesellschaften
beteiligt waren, im Jahr 2006 mit Eintragung ins Handelsregister entstanden. Im
Anschluss an eine Betriebsprüfung vertrat das beklagte Finanzamt die
Auffassung, dass dem Gewinn der KG nicht abziehbare Schuldzinsen hinzuzurechnen
seien und erließ einen geänderten Bescheid über die gesonderte und einheitliche
Feststellung von Besteuerungsgrundlagen. Hiergegen legte die KG im Jahr 2004
Einspruch ein, den das Finanzamt im Jahr 2008 als unbegründet zurückwies.
Hiergegen wandte sich die Klägerin. Das Finanzgericht wies die Klage als
unbegründet ab. Der Bundesfinanzhof (BFH) hielt die Klage schon wegen fehlender
Klagebefugnis für unzulässig.

Entscheidung

Eine Personengesellschaft ist befugt, für ihre Gesellschafter gegen den
Gewinnfeststellungsbescheid Klage zu erheben, obgleich sich dieser an die
Gesellschafter als Subjekte der Einkommensteuer richtet. Erlischt eine
Personengesellschaft durch Vollbeendigung ohne Abwicklung, wie im vorliegenden Fall
des Formwechsels, kann der Gewinnfeststellungsbescheid nur noch von den
früheren Gesellschaftern angefochten werden. Die bis zum Zeitpunkt der
Vollbeendigung überlagerte Klagebefugnis der einzelnen Gesellschafter lebt
insofern wieder auf und geht mithin nicht auf die formgewechselte Gesellschaft
über. Die Klage kann auch nicht als solche der ehemaligen Gesellschafter
ausgelegt werden, denn hierfür hätte die dem Prozessbevollmächtigten erteilte
Vollmacht von Letzteren erteilt werden müssen.

Konsequenz


Das vorliegende Urteil verdeutlicht, dass im Zusammenhang mit
Personengesellschaften stets zu prüfen ist, ob eine Prozessstandschaft
vorliegt, die Gesellschaft also ein fremdes Recht im eigenen Namen geltend zu
machen hat.

 

15. Nach 100 Jahren endet das Branntweinmonopol
am 31.12.2017

Kernaussage

Zum Ende des Jahres 2017 endet das deutsche Branntweinmonopol. Ab dem Jahr 2018
entfallen damit die staatlichen Subventionen des Bundes für den Branntwein.

Sachverhalt

Nach dem Branntweinmonopolgesetz wurden zuletzt jährlich 80 Mio. EUR
Subventionen an die Brennereinen gegeben. Das Gesetz stammte aus dem Jahr 1922
und regelte das im Jahr 1918 von Kaiser Wilhelm II errichtete
Branntweinmonopol. Bei der Subvention handelte es sich um eine unzulässige
staatliche Beihilfe. Nach dem geltenden EU-Recht dürfen Mitgliedsstaaten
grundsätzlich keine staatlichen Beihilfen gewähren, die wie das
Branntweinmonopol an die Produktion einer Ware anknüpfen. Die staatlichen
Beihilfen für größere landwirtschaftliche Brennereien laufen Ende September
2013 aus. Für Klein- und Obstbrennereien gilt eine Übergangsfrist bis Ende
2017. Zukünftig wird die Besteuerung des Branntweins im ab 1.1.2018 geltenden
Alkoholsteuergesetz geregelt. Eventuell werden auch andere Steuergesetze (z. B.
Schaumwein- und Zwischenerzeugnissteuergesetz, Alkopopsteuergesetz) in das
Alkoholsteuergesetz integriert. Erhalten bleibt über das Jahr 2017 hinaus das
Abfindungs- und Stoffbesitzbrennen. Die Abfindungsbrennereien stehen nicht
unter zollamtlichen Verschluss und dürfen in kleinem Umfang produzieren, wobei
sich die Steuer nach der Art und der Menge des angemeldeten Materials bemisst.
Die Stoffbesitzbrenner brennen ihren Alkohol aus dem Obst der eigenen
Obstwiesen. Im neuen Alkoholsteuergesetz wird ein ermäßigter Steuersatz für die
Abfindungs- und Stoffbesitzbrenner gewährt. Ziel ist die Erhaltung der
Streuobstwiesen.

Fazit

Die gesetzlichen Neuerungen wurden im breiten Konsens der Parteien erzielt.
Einerseits wurde die unzulässige staatliche Beihilfe beseitigt, anderseits gibt
es Übergangsfristen und Sonderregelungen für Abfindungs- und
Stoffbesitzbrenner, was eine gute Lösung darstellt.

 

16. Betriebsaufspaltung bei
Zwischenschaltung einer beherrschten GbR

Kernaussage

Eine Betriebsaufspaltung setzt voraus, dass die überlassenen Wirtschaftsgüter
zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen der Betriebsgesellschaft gehören
(sachliche Verflechtung) und die Person oder Personengruppe sowohl das Besitz-
als auch das Betriebsunternehmen in der Weise beherrscht, dass sie in der Lage ist,
in beiden Unternehmen einen einheitlichen Geschäfts- und Betätigungswillen
durchzusetzen (personelle Verflechtung). Diese Voraussetzungen sind im
vorliegenden Fall nach Auffassung des Finanzgerichts (FG) Hamburg auch bei der
Zwischenschaltung einer von der beherrschenden Person ebenfalls beherrschten
Gesellschaft gegeben.

Sachverhalt

An der Klägerin, einer grundstücksbesitzenden GbR, sind die Eheleute zu 90 %
(Ehemann) und zu 10 % (Ehefrau) beteiligt. Im Innenverhältnis obliegt allein
dem Ehemann die Geschäftsführung und Vertretung der Klägerin. Gemäß dem
Gesellschaftsvertrag bedürfen Gesellschafterbeschlüsse über den Abschluss von
Miet- und Erbbaurechtsverträgen und den Verkauf und die Beleihung von
Grundstücken der Einstimmigkeit. Im Übrigen gilt das Mehrheitsprinzip. Die
Klägerin bestellte zugunsten einer GmbH, deren alleiniger Gesellschafter und
Geschäftsführer der Ehemann ist, ein Erbbaurecht für die Dauer von 49 Jahren.
Dies GmbH errichtete auf dem Grundstück ein Gebäude und vermietete es an eine weitere
GmbH, deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer wiederum der Ehemann
ist. Das beklagte Finanzamt stellte eine Betriebsaufspaltung fest. Hiergegen
richtet sich die Klage.

Entscheidung

Das FG wies die Klage ab. Der Ehemann, der hinter der Betriebsgesellschaft
steht, kann in der Klägerin seinen geschäftlichen Betätigungswillen in Bezug
auf das Erbbaurecht durchsetzen, da er weiterhin über die laufende Verwaltung
und Beendigung des Erbbaurechts allein bestimmen kann. Der Gesellschaftsvertrag
sieht nämlich nur für den Abschluss des Erbbaurechtsvertrags einen einstimmigen
Beschluss vor. Dass die Klägerin das Grundstück nicht unmittelbar der
Betriebsgesellschaft überlassen hat, sondern eine Zwischengesellschaft
eingeschaltet wurde, steht der Annahme einer Betriebsaufspaltung zwischen der
Klägerin und der Betriebsgesellschaft nicht entgegen. Entscheidend ist, dass
die das Besitzunternehmen beherrschende Person sowohl Alleingesellschafter der
Zwischengesellschaft als auch der Betriebsgesellschaft ist.

Konsequenz


Der BFH entschied bereits in einem ähnlich gelagerten Fall der
Zwischenvermietung, dass die Betriebsaufspaltung nicht verhindert werden kann.
Das vorliegende Urteil verdeutlicht, dass eine Betriebsaufspaltung nicht
umgangen werden kann.

 

17. Kein
Auskunftsverweigerungsrecht Dritter wegen privatrechtlich vereinbarter
Geheimhaltung

Kernaussage

Die Antwort auf ein Sammelauskunftsersuchen der Steuerfahndung kann nicht mit
der Begründung verweigert werden, die Geheimhaltung der Daten sei
privatrechtlich vereinbart worden. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) kürzlich
entschieden.

Sachverhalt

Das Finanzamt wollte erfahren, welche Nutzer Verkaufserlöse von mehr als 17.500
EUR pro Jahr über eine Internethandelsplattform erzielt hatten. Name und
Anschrift der Händler sollten ebenso angegeben werden wie deren Bankverbindung.
Außerdem sollte eine Aufstellung der einzelnen Verkäufe vorgelegt werden. Ab
einem Umsatz von mehr als 17.500 EUR pro Jahr ist Umsatzsteuer zu entrichten.
Das Sammelauskunftsverlangen war gerichtet an die deutsche
Schwestergesellschaft eines in Luxemburg ansässigen Betreibers einer
Internethandelsplattform. Die in Deutschland ansässige GmbH hatte die
Internethandelsplattform früher selbst betrieben. Nach der Übertragung des
Geschäfts auf ihre in Luxemburg ansässige Schwestergesellschaft hatte sie sich
dazu verpflichtet, umfangreiche Datenverarbeitungsleistungen für diese auf der
Grundlage luxemburgischen Rechts zu erbringen. Außerdem hatte sie sich
verpflichtet, die von ihr zu verarbeitenden Daten nicht an Dritte
weiterzugeben. Vor Gericht argumentierte die Klägerin, sie könne die von ihr
verlangten Auskünfte nicht erteilen, da sie hierzu nach den für sie bindenden
Weisungen ihrer Schwestergesellschaft nicht befugt sei. Sie könne ihre Schwestergesellschaft
auch nicht dazu bringen, der Datenherausgabe zuzustimmen. Die Daten stünden ihr
auch tatsächlich nicht zur Verfügung, da sie auf Servern im Ausland gespeichert
seien, die ihr weder gehörten noch von ihr verwaltet oder gepflegt würden.

Entscheidung

Das Finanzgericht (FG) hat daraufhin der Klage stattgegeben und das
Sammelauskunftsersuchen aufgehoben, da der Klägerin die Erteilung der Auskunft
in tatsächlicher Hinsicht unmöglich sei. Auf die Revision des Finanzamts hat
der BFH das Urteil des FG aufgehoben und die Sache zurückverwiesen. Das FG hat –
wie sich aus der Begründung des Urteils ergibt – keine ausreichenden
tatsächlichen Feststellungen getroffen, dass der Klägerin der Zugriff auf die
Daten aus technischen Gründen unmöglich ist. Dass die Datenserver im Ausland
stehen, steht dem Zugriff auf die Daten nicht entgegen. An die tatsächliche
Würdigung des FG war der BFH deshalb nicht gebunden. Das FG hat vielmehr
entscheidend darauf abgestellt, dass sich die Klägerin gegenüber ihrer
Schwestergesellschaft zur Geheimhaltung der Daten verpflichtet hatte. Die darin
liegende rechtliche Wertung hat der BFH verworfen. Die privatrechtlich
vereinbarte Geheimhaltung kann der öffentlich-rechtlichen Auskunftspflicht
nicht mit Erfolg entgegen gehalten werden. Das Urteil des FG konnte deshalb
keinen Bestand haben.

Konsequenz

Das FG muss nun feststellen, ob die Klägerin tatsächlich auf die fraglichen
Daten zugreifen kann. Der BFH hat dem FG außerdem umfangreiche Hinweise für die
weitere Bearbeitung des Falles erteilt.

 

18. Umsatzsteuer: Kein
Vorsteuerabzug aus Strafverteidigerkosten

Kernaussage

Wer sich als Unternehmer gegen den Verdacht zur Wehr setzt, im Zusammenhang mit
seiner unternehmerischen Tätigkeit eine Straftat begangen zu haben, kann die an
seinen Strafverteidiger entrichtete Umsatzsteuer nicht als Vorsteuer abziehen.
Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) jüngst so entschieden.

Sachverhalt

Der Kläger, ein Bauunternehmer, hatte mutmaßlich eine Zuwendung an einen
Entscheidungsträger eines potentiellen Auftraggebers geleistet, um einen
Bauauftrag zu erlangen. Gegen ihn und einen seiner Angestellten wurden
strafrechtliche Ermittlungsverfahren eingeleitet. Der Kläger und sein
Angestellter ließen sich durch Strafverteidiger vertreten. Das Bauunternehmen
machte den Vorsteuerabzug aus den Rechnungen beider Strafverteidiger geltend.
Das Finanzamt versagte den Vorsteuerabzug. Das Finanzgericht gab der Klage
statt. Der BFH bestätigte die Auffassung der Finanzverwaltung; ein
Vorsteuerabzug kam daher nicht in Betracht.

Entscheidung

Abziehen kann der Unternehmer die Steuer für Leistungen, die von einem anderen
Unternehmer "für sein Unternehmen" ausgeführt worden sind. Streitig
war, ob die Strafverteidiger Leistungen für das Unternehmen oder für die
Privatpersonen erbracht hatten. Deswegen hatte der BFH in derselben Sache zuvor
beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) angefragt, ob es für den Vorsteuerabzug
auf den maßgeblichen Entstehungsgrund der Aufwendungen ankomme, dass nämlich
die mutmaßliche Straftat im Interesse des Unternehmens begangen wurde oder ob
das unmittelbare Ziel der erbrachten Leistung, eine Bestrafung zu verhindern,
entscheidend sei. Letzteres ist nach dem in diesem Streitfall ergangenen
EuGH-Urteil zutreffend. Leistungen, deren Zweck darin besteht, strafrechtliche
Sanktionen gegen natürliche Personen zu verhindern, die Geschäftsführer eines
steuerpflichtigen Unternehmens sind, eröffnen danach kein Recht auf
Vorsteuerabzug. Dem hat sich der BFH in dem jetzt veröffentlichten Urteil
angeschlossen. Die Vorlage an den EuGH beruhte auf der europarechtlichen
Harmonisierung des Umsatzsteuerrechts und der sich hieraus ergebenden
Verpflichtung zur so genannten richtlinienkonformen Auslegung.

Konsequenz

Die Entscheidung hat nur für die Umsatzsteuer Bedeutung. Die ertragssteuerrechtliche
Frage, ob Aufwendungen für eine Strafverteidigung als Betriebsausgaben oder
Werbungskosten abzugsfähig sein können, wird davon nicht berührt.

 

19. Änderung des Aktiengesetzes
tritt voraussichtlich noch 2013 in Kraft

Der Bundestag hat am
27.6.2013 den Gesetzentwurf zur Änderung des Aktiengesetzes beschlossen. Die
Novelle wird voraussichtlich im Herbst 2013 in Kraft treten. Sie enthält
folgende wichtige Neuregelungen:

Vergütung
der Vorstandsmitglieder


Die Hauptversammlung einer börsennotierten Gesellschaft muss jährlich über die
Billigung des vom Aufsichtsrat vorgelegten Systems zur Vergütung der
Vorstandmitglieder beschließen. Die Darstellung des Vergütungssystems muss
Angaben zu den höchstens erreichbaren Gesamtbezügen, aufgeschlüsselt nach dem Vorsitzenden
des Vorstands, dessen Stellvertreter und einem einfachen Mitglied des
Vorstands, enthalten.

Inhaberaktie

Das Gesetz lässt den Unternehmen auch künftig die Wahl zwischen beiden
Aktienarten: Namens- und Inhaberaktie. Nichtbörsennotierte Aktiengesellschaften
können künftig aber nur dann Inhaberaktien verwenden, wenn sie sie in
Sammelurkunden verbriefen und dauerhaft bei einer Wertpapiersammelbank
hinterlegen. Bestehende nichtbörsennotierte Aktiengesellschaften mit
Inhaberaktien erhalten Bestandsschutz und müssen nichts ändern.

Wandelschuldverschreibungen

Das Gesetz sieht künftig auch Wandelschuldverschreibungen vor, bei denen der
Schuldner (also die Aktiengesellschaft) das Wandlungsrecht hat. Bisher regelt
das Aktiengesetz nur Wandelanleihen, bei denen der Gläubiger ein Wahlrecht hat,
statt Darlehensrückzahlung in Geld Aktien zu beziehen.

Vorzugsaktien

Es soll zudem die Möglichkeit von Vorzugsaktien ohne einen zwingenden
Nachzahlungsanspruch geschaffen werden. Nach geltendem Recht gibt es Aktien ohne
Stimmrecht, die aber mit einem Dividendenvorzug ausgestattet sein müssen
(Vorzugsaktien). Fällt die Dividendenausschüttung in einem Jahr aus, so haben
die Vorzugsaktionäre einen zwingenden Nachzahlungsanspruch auf die ausgefallene
Dividende im Folgejahr. Die nun vorgesehene Schaffung von Vorzugsaktien auch
ohne einen solchen zwingenden Nachzahlungsanspruch ist gerade für
Kreditinstitute von besonderer Bedeutung, da nach den internationalen
Eigenkapitalanforderungen Vorzugskapital, das mit einem Nachzahlungsanspruch
belastet ist, nicht auf das aufsichtsrechtlich verlangte Eigenkapital
angerechnet werden kann.

 

 

GmbH-Gesellschafter/-Geschäftsführer

 

 

  1. Aktienoptionen für
    Aufsichtsräte und ihre Folgen

Kernaussage

Wenn Aufsichtsräte eine nicht börsennotierter AG am Bezug neuer Aktien
teilnehmen, der nur Mitarbeitern und Aufsichtsräten eröffnet ist, mit der
Option, die gezeichneten Aktien innerhalb einer Frist zum Ausgabekurs an die AG
zurückzugeben, ist von Einkünften aus selbständiger Arbeit zum Zeitpunkt der
Optionsausübung auszugehen, wenn die unter dem Ausgabepreis notierenden Aktien
innerhalb der Frist zum Ausgabekurs an die AG zurückgegeben werden.

Sachverhalt

Der Kläger war Aufsichtsrat einer nicht börsennotierten AG, die im Jahr 2000 im
Zuge eines Mitarbeiterbeteiligungsprogramms neue Aktien an Mitarbeiter und
Aufsichtsräte ausgegeben hatte. Der klagende Aufsichtsrat erwarb 10.000 Aktien
zu je 11,50 EUR. Der Aufsichtsrat machte von seinem vertraglichen Recht
Gebrauch, die Aktien bis Ende 2002 zum Ausgabekurs zurückzugeben. Das Finanzamt
ermittelte einen geldwerten Vorteil beim Aufsichtsrat in Höhe von 75.000 EUR,
da die Aktien zum Rückgabezeitpunkt nur einen Wert von 4 EUR gehabt hätten.
Durch die Klage beim Finanzgericht erreichte der Kläger nach erfolglosem
Einspruch eine Reduzierung des geldwerten Vorteils auf 55.000 EUR.

Entscheidung

Die Revision hiergegen zum Bundesfinanzhof blieb erfolglos. Der klagende
Aufsichtsrat erlangte durch die Rückgabe der Aktien zum Ausgabekurs einen
geldwerten Vorteil in Höhe von 55.000 EUR und hat diesen als Einkünfte aus
selbständiger Tätigkeit zu versteuern. Die Höhe des Vorteils bestimmt sich nach
der Differenz zwischen tatsächlichem Wert und Ausgabekurs. Die Möglichkeit der
Rückgabe hing untrennbar mit der Tätigkeit des Klägers als Aufsichtsrat und
damit mit seiner selbständigen Tätigkeit zusammen. Ein fremder Dritter hätte
die Aktien nicht zum Ausgabekurs zurückgeben können. Der Zufluss des geldwerten
Vorteils fand im Jahr 2002 statt als der Aufsichtsrat seine Option ausübte.

Konsequenz

Vorliegend bestand kein Zweifel, dass die vorteilhafte Rückgabemöglichkeit der
Aktien zum Ausgabekurs den Mitarbeitern und Aufsichtsräten aufgrund ihrer
Tätigkeit für die AG gewährt wurde. Insofern ist es konsequent, bei Aufsichtsräten
Einkünfte aus § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG anzunehmen.

 

2. Kapitalerhöhung durch Erhöhung
des Nennbetrags eines bestehenden Geschäftsanteils

Kernaussage

Wird die Kapitalerhöhung durch die Erhöhung eines bereits bestehenden
Geschäftsanteils ausgeführt, ist ein Viertel des Erhöhungsbetrages vor der
Handelsregisteranmeldung einzuzahlen. Dies haben die Geschäftsführer
entsprechend gegenüber dem Registergericht zu versichern.

Sachverhalt


Die antragstellende GmbH ist im Handelsregister mit einem Stammkapital von
50.000 EUR eingetragen. Aufgrund eines Gesellschafterbeschlusses sollte das
Stammkapital auf 100.000 EUR erhöht werden durch Aufstockung des bisherigen
einzigen Geschäftsanteils. Der Erhöhungsbetrag sollte erst auf Anforderung der
Geschäftsführer in bar zu leisten sein. Die Geschäftsführer der GmbH
versicherten im Rahmen der Anmeldung beim Handelsregister, dass die Einlage auf
den bisherigen Geschäftsanteil im Nennbetrag von 50.000 EUR zum Zeitpunkt der
Beschlussfassung über die Kapitalerhöhung voll eingezahlt war. Das
Registergericht wies darauf hin, dass eine Eintragung nur dann erfolgen könne,
wenn mindestens ein Viertel des Aufstockungsbetrages eingezahlt sei. Hierzu sei
zudem in der Anmeldung der Kapitalerhöhung eine Versicherung der Geschäftsführer
abzugeben, die bislang nicht vorliege. Die hiergegen gerichtete Beschwerde
bleib in allen Instanzen erfolglos.

Entscheidung


Die Anmeldung der Kapitalerhöhung durch Aufstockung kann erst dann erfolgen,
wenn ein Viertel des vorgesehenen Aufstockungsbetrages eingezahlt ist. Dies
gilt auch dann, wenn zum Zeitpunkt des Kapitalerhöhungsbeschlusses durch
Einzahlungen auf den bestehenden Geschäftsanteil der nach Aufstockung erhöhte
Nennbetrag zu einem Viertel gedeckt ist. Ist also der vorhandene Geschäftsanteil
zu mehr als einem Viertel einbezahlt, mindert dies nicht die Einlagepflicht aus
dem Erhöhungsbetrag. Diese Sicht entspricht dem Wesen der Kapitalerhöhung, die
zu einer Erweiterung der dem Schutze der Gläubiger dienenden Haftungsmasse
führt. Durch die Höhe des Mindesteinzahlungsbetrages soll die
Leistungsfähigkeit des übernehmenden Gesellschafters nachgewiesen werden.

Konsequenz

Mit der vorliegenden Entscheidung werden die Zweifelsfragen im Zusammenhang mit
der Leistung auf das neue Stammkapital bei einer Kapitalerhöhung durch
Aufstockung bestehender Geschäftsanteile geklärt. Das
"Viertel-Kriterium" ist nicht auf die gesamte Einlage zu beziehen, so
dass frühere – auf die alten Einlagen erbrachten – Zahlungen keine
Berücksichtigung finden.

 

3. Grundsatz des Reflexschadens
gilt auch im Insolvenzfall

Kernaussage

Der Grundsatz, dass der Gesellschafter einer GmbH Schadensersatz wegen einer
Minderung des Wertes seiner Beteiligung, die aus einer Schädigung der
Gesellschaft resultiert (Reflexschaden) nicht durch Leistung an sich
persönlich, sondern nur durch Leistung an die Gesellschaft verlangen kann, gilt
auch dann, wenn die Gesellschaft durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens
aufgelöst wird.

Sachverhalt

Der Kläger war Gesellschafter einer GmbH, die ein Malerunternehmen betrieb. Der
Beklagte war ebenfalls Gesellschafter der GmbH, sein Sohn Angestellter der
GmbH. Im Dezember 2000 gründete der Sohn ein Konkurrenzunternehmen. Der
Beklagte wechselte in der Folge ebenso wie sämtliche 12 Malergesellen zu dem
Konkurrenzunternehmen. 2001 übernahm das Konkurrenzunternehmen von der GmbH
begonnene Aufträge. Die GmbH fiel in Insolvenz und der Kläger verklagte den
Beklagten, dessen Sohn und das Konkurrenzunternehmen. Zwischen der GmbH, die
durch den Insolvenzverwalter auch Klage erhoben hatte, und den Beklagten kam es
zu einem Vergleich. Der Kläger verfolgte seine Klage weiter. Das Landgericht
entschied, dass der Kläger Anspruch auf Feststellung habe, dass der Beklagte
ihm wegen Verletzung der gesellschaftsvertraglichen Treuepflicht Schadensersatz
schulde. Der Vergleich berühre diesen Anspruch nicht. Nach Bestätigung der
Entscheidung durch das Berufungsgericht ging der Beklagte in Revision.

Entscheidung

Der Bundesgerichtshof (BGH) hob das Urteil auf und wies die Klage ab. Bei dem
vom Kläger geltend gemachten Schaden durch Verlust von Gewinnausschüttungen ab
dem Jahr 2001 handelt es sich nur um einen mittelbaren Schaden (Reflexschaden),
der allein aus einer Schädigung der GmbH folgt. Wegen eines solchen Schadens
kann der Kläger keine Leistung an sich persönlich verlangen. Vielmehr kann ein
Ausgleich dieses mittelbaren Schadens nur dadurch erfolgen, dass der
Gesellschafter die Leistung von Schadensersatz an die Gesellschaft verlangt.
Dies gilt auch in der Insolvenz.

Konsequenz

Durch die Entscheidung wird dem Kläger die Chance auf Schadensersatz genommen.
Dies ist für ihn bitter, da er aufgrund des Vergleichs des Insolvenzverwalters
auch nicht mehr im Wege der actio pro socio Ansprüche der GmbH durchsetzen
kann. Auch ein etwaiger Schadensersatzanspruch gegen den Insolvenzverwalter
steht der GmbH zu, dem Kläger also auch nur mittelbar.

 

4. Darlehen durch ausländische
Gesellschafter begründet keine inländische Betriebsstätte

Kernaussage

Eine in Frankreich ansässige Gesellschaft, die mittelbar an einer inländischen
Kommanditgesellschaft (KG) beteiligt ist, begründet nicht allein dadurch eine
inländische Betriebsstätte, dass sie der KG ein Darlehen gibt. Erforderlich für
eine Betriebsstätte ist bei einer Forderung, dass sie nicht nur steuerlich,
sondern tatsächlich-funktional einen Aktivposten bildet.

Sachverhalt

Die Klägerin ist Rechtsnachfolgerin einer KG, an der mittelbar über eine
Holding-KG eine in Frankreich ansässige Aktiengesellschaft (S. A.) beteiligt
ist. Die S. A. hatte der KG ein Darlehen gewährt. Die Darlehenszinsen
behandelte das Finanzamt als Sonderbetriebseinnahmen der S. A. aus der
Beteiligung an der KG. Aufgrund des Darlehens sei eine inländische
Betriebsstätte der S. A. anzunehmen, so dass Deutschland das Besteuerungsrecht
zustehe. Die hiergegen gerichtete Klage hatte vor dem Finanzgericht Erfolg.

Entscheidung

Nach dem DBA-Frankreich dürfen Zinsen nur in dem Staat besteuert werden, in dem
der Gläubiger ansässig ist. Hiervon wird eine Ausnahme gemacht, wenn die
Forderung zu einer inländischen Betriebsstätte gehört. Jedoch fehlt es hier an
einer inländischen Betriebsstätte. Denn eine in Frankreich ansässige S. A., die
mittelbar an einer inländischen KG beteiligt ist, begründet nicht allein
dadurch eine inländische Betriebsstätte, dass sie der KG ein Darlehen gibt.
Erforderlich für eine Betriebsstätte ist bei einer Forderung, dass sie nicht
nur steuerlich, sondern tatsächlich-funktional einen Aktivposten bildet.
Vorliegend war jedoch das Darlehen bei der S. A. in Frankreich aktiviert. Etwas
anderes folgt auch nicht aus den Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes
(hier: § 50d Abs. 10 EStG). Denn die dort genannte Fiktion führt nicht dazu,
dass es sich um gewerbliche Einkünfte einer Betriebsstätte handelt. Vielmehr
greift die Fiktion begrifflich hierfür zu kurz.

Konsequenz

Der Entscheidung ist zuzustimmen. Eine andere Beurteilung könnte eintreten,
wenn der Gesetzgeber – wie im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2013 angedacht –
die betreffende einkommensteuerliche Vorschrift ändert und
Gesellschaftervergütungen fiktiv einer inländischen Betriebsstätte zuzuordnen
sind.

 

5. Anwendbare Vorschriften auf den
Jahresabschluss einer prüfungspflichtigen mittelgroßen GmbH

Kernaussage


Ein festgestellter Jahresabschluss einer GmbH kann wegen einer fehlerhaften
Prüfung entsprechend den aktienrechtlichen Vorschriften nichtig sein, wenn eine
gesetzliche Prüfungspflicht besteht. Ein Wirtschaftsprüfer der den
Jahresabschluss einer prüfungspflichtigen mittelgroßen GmbH prüft, obwohl er
nicht über den erforderlichen Qualitätsnachweis verfügt, ist der GmbH gegenüber
zum Ersatz der Kosten verpflichtet, die durch die erneute Prüfung des
Abschlusses entstehen, selbst wenn die Nichtigkeit durch Bekanntmachung des
Jahresabschlusses mit Zeitablauf geheilt wird.

Sachverhalt


Die Klägerin, eine mittelgroße GmbH, nimmt den Beklagten, einen
Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, auf Schadensersatz in Anspruch. Sie
beauftragte den Beklagten mit der Durchführung der Jahresabschlussprüfung für
das Jahr 2006. Der Beklagte, der nicht über die erforderliche Bescheinigung
über die Teilnahme an der Qualitätskontrolle verfügte, führte den Auftrag aus,
ohne die Klägerin über das Fehlen der Bescheinigung zu informieren. Der
Jahresabschluss wurde sodann im Bundesanzeiger veröffentlicht. Vor Durchführung
der Prüfung für das Jahr 2007 erlangte die Klägerin hiervon Kenntnis und ließ
die Salden des Jahresabschlusses 2006 durch einen anderen Wirtschaftsprüfer
nochmals prüfen. Diese Kosten verlangt sie von dem Beklagten ersetzt. Die
Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Der Bundesgerichtshof (BGH) gab schließlich
der Klägerin Recht.

Entscheidung

Unzutreffend ist die Auffassung der Vorgerichte, dass die geltend gemachten
Kosten keinen ersatzfähigen Schaden darstellen, da eine Heilung der Nichtigkeit
durch Zeitablauf nach Veröffentlichung eingetreten sei und daher kein Anlass
für eine erneute Prüfung bestanden habe. Der Zurechnungszusammenhang von
Folgen, die auf einer Pflichtverletzung des Beklagten beruhen und durch einen
selbständigen Entschluss des Geschädigten mitverursacht wurden, bleibt
vorliegend bestehen. Die Klägerin muss sich nicht mit der Heilung des nichtigen
Jahresabschlusses begnügen sondern ist dazu berechtigt, das aus ihrer Sicht
Erforderliche zu veranlassen, um sicher zu stellen, dass der Folgeabschluss auf
einen in jeder Hinsicht ordnungsgemäßen Jahresabschluss aufbaut.

Konsequenz


Die streitige Rechtsfrage, ob die Heilung des Jahresabschlusses zur Wirksamkeit
führt oder lediglich bewirkt, dass sich niemand mehr auf die Nichtigkeit
berufen kann, bleibt weiterhin zur höchstrichterlichen Klärung offen.

 

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